Am 14. März 2021 war es soweit: Das sibirisch-stämmige Geschwistertrio Sam Plekhanov, Mat Plekhanov und Maria Nesh veröffentlichte sein Erstlingswerk Vortex. Wie es bei vielen Erstpublikationen eines künstlerischen Projektes stecken in Vortex viele Ideen, viel Herzblut und eine Menge fanatischer Perfektionismus.
Maria Nesh ist in der Wiener Metalszene kein unbeschriebenes Blatt. Schon in ihren vorherigen Bands hat man sie auf der einen oder anderen Bühne gesehen. Von ihren Brüdern hingegen, die auch wie Maria in Wien leben, hat man noch nicht so viel gehört. Doch dies wird sicher nicht lange so bleiben.
Vortex beginnt mit dem sehr dynamischen Pareidolia. Ein guter Opener für ein Album, wenn es auch vielleicht schon zu viel von der Virtuosität der Brüder Plekhanov verrät. Doch musikalisch wird ohne Umwege gezeigt, auf was sich der Hörer eingelassen hat: progressive Riffs am laufenden Band und einer Stimme, die es nicht nötig hat, in schwindelnden Höhen zu agieren, sondern auch so Charakter besitzt.
Die Lyrics des Albums wurden von Dragony-Sänger Siegfried Samer verfasst, der sich nach seinem Dragony Album Viribus Unitis wieder mit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert beschäftigt. Dieses Mal ist es die Archetypenlehre von C.G Jung, die als Basis für die Songtexte dient. Darauf weist auch der Song Mind and Matter nachdrücklich hin, wenn er sich mit der alten philosophischen Problematik der Verbindung von Geist und Materie beschäftigt, die von den alten Griechen bis in die Gegenwartsphilosophie anzutreffen ist. Gerade bei C.G Jung ist diese Verbindung wichtig, da er von einem spiritistischen Weltbild ausgeht, in dem das Paranormale als existent angenommen wird und einen wesentlichen Einfluss auf die Psyche des Menschen hat. Dieser von Sigmund Freud als „Unsinn“ abgelehnte Ansatz ist gerade im positivistisch und physikalistisch geprägten Wissenschaftsbetrieb am Ende des 19. Jahrhunderts sehr spannend.
Spiritismus war dennoch im künstlerischen Rahmen weit verbreitet, vielleicht mehr noch als dies heute der Fall ist. Dementsprechend ist es durchaus ein spannender Zugang, sich im Rahmen eines Metalalbums mit C. G. Jung zu beschäftigen. In unserer Zeit wird durch die Experimente der Quantenphysik die Verbindung von Geist und Materie immer mehr auch wissenschaftlich nahegelegt, wodurch C.G. Jungs Ansätze nicht mehr so leicht mit einem Lächeln als Unsinn wegzuwischen. Für eine künstlerische Auseinandersetzung taugen sie allemal.
Red Eye Temple: druckvoll, progressiv und philosophisch
Mit Flow entführt die Band, zumindest im Intro, in die New Age Ära, um dann schnell wieder in die gewohnten Powermetal-Gefielde zurückzukehren. Anschließend geht es weiter mit dem namensgebenden Track Vortex, der wieder an klassischen 80er Hard & Heavy Stil erinnert, dies aber im Gewand einer Metalproduktion des 21. Jahrhunderts.
Mit dem fünften Song des Tonrägers Patterns ist es Zeit für ein Duell. Maria Nesh und Siegfried Samer batteln sich im Power Metal-Duett. Auch hier die Lyrics mit starkem Bezug zu C. G. Jung und seiner Verbindung von europäischer Schulphilosophie und taoistischem Spiritismus.
Patterns
Search a lifetime
Seek the pattern
To the crossroads
Of mind and matter
Solve the riddle
Find the door
To the middle
To the core
Mit Protheus geht es auf das Meer hinaus und in die griechische Mythologie, das Ganze mit ordentlich musikalischem Druck und melodischer Solo-Akrobatik. Mit Monomyth, der Heldenreise, sind wir wieder im Umfeld von C.G. Jung gelandet. Gerade im Powermetal wird das Motiv des Helden, der in die Welt zieht und siegreich und verändert zurückkehrt, gerne benutzt, da darf ein passender Song auf diesem Album auch nicht fehlen. Melodisch und getragen endet Vortex mit Ashes Fall.
Mit Vortex legen Red Eye Temple ein sowohl musikalisch, als auch textlich spannendes und facettenreiches Album vor. Viel Vergnügen beim Durchforschen der Schichten aus denen es besteht!
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